Freud: Die 3 Phasen zu seinem Gedankenmodell

- Home
- /
- Psycho-Kram
- /
- Neuigkeiten und Trends
- /
- Freud: Die 3 Phasen...
Quelle: Sandler, J./Holder, A./Dare, Ch./Dreher, U. (2003): Freuds Modelle der Seele. Eine Einführung.*Gießen: Psychozial. S. 23-40.
In dem o.g. Text wird versucht, Freuds psychoanalytische Theoriebildung anhand dreier Phasen zu skizzieren (siehe Tabelle 1). Diese sollen für Interessierte in der vorliegenden Zusammenfassung verständlich und sinnvoll erläutert werden. Freuds Theorie ist auch noch heute umstritten. Jedoch haben nur wenige Menschen einen wirklichen Einblick in die Entstehung seiner Gedankenmodelle.
Phase | I Das Affekt-Trauma-Modell | II Das topographische Modell | III Das Strukturmodell |
Zeitraum | Mitte 1880 bis 1897 | 1897 bis 1923 | 1923 bis 1940 |
Namen | Charcot, Breuer, Bernheim, Darwin, Helmholtz, Brücke, Hartmann, Herbart, Brentano | Fließ | Abraham, Ferenczi, Jones, Jung, Rank |
Werke | Studien über Hysterie (Freud/Breuer, 1895)
Entwurf einer Psychologie (1895) |
Traumdeutung (1900)
Zur Psychopathologie des Alltagslebens (1901)
Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (1905)
Jenseits des Lustprinzips (1920)
12 von 17 „Gesammelte Werke“ Freuds |
Das Ich und das Es (1923)
Hemmung, Symptom und Angst (1926)
Abriß der Psychoanalyse (1940) |
Tabelle 1 Die drei Phasen von Freunds Theoriebildung nach Sandler et al. (2003)
Erste Phase: Das Affekt-Trauma-Modell
Durch ein Reisestipendium reist der 29jährige Freud nach Frankreich. Dort trifft er auf den renommierten Psychiater Charcot, der ihn tief beeindruckt mit seinen Behandlungsmethoden (Suggestion, Hypnose) und Ansichten. Freud nimmt zum einen aus Frankreich mit, dass seelische Störungen möglicherweise einen psychischen Ursprung haben könnten (traumatische Erlebnisse, sexuelle Anteile etc.). Zum anderen greift er den Begriff der Dissoziation auf und entwickelt ihn weiter. Doch statt die Dissoziation wie die französischen Ärzte als neuronale Störung zu sehen, versteht Freud sie als aktiven Abwehrprozess.
Zurück in Wien arbeitete er zusammen mit dem Arzt und Physiologen Josef Breuer weiter am Verständnis und der Ursachenforschung der Hysterie und verwandten Störungen. Es entstand das gemeinsame Buch „Studien über Hysterie“ (1895), in dem der berühmte Fall der Anna O. beschrieben ist. Der Ausdruck Talking cure (Redekur) stammt aus diesem Werk.
Freud beschränkte die Trennung bewusster und unbewusster Teile des Seelenlebens bald nicht nur auf neurotische Patienten, sondern auf alle Menschen. In Bezugnahme auf den vorherrschenden Energiebegriff der Physik in dieser Zeit sah er eine Symptombildung als ein „Quantum affektiver Energie, das zu groß war, um auf normalen Wege assimiliert zu werden, vom Bewusstsein weggedrängt (verdrängt) wurde und nun Mittel finden mußte, sich indirekt auszudrücken.“ (S. 26). Neurotische Patienten besitzen also einen Affekt bzw. ein Gefühl, das sich nicht in Einklang mit ihren Moralvorstellungen bzw. Verhaltensstandards vereinbaren lässt. Freud bediente sich zunehmend Methoden der Suggestion und schließlich ersetzte er diese durch die Methode der freien Assoziation.
In dieser ersten Phase war Freud durch seine ambulante Arbeit mit vielen verschiedenen neurotischen Erkrankungen konfrontiert. Er stellt die Bedeutung der Sexualentwicklung und die Auswirkungen psychischer Traumata für neurotische Erkrankungen heraus (vor allem Erlebnisse sexueller Verführungen im Kindesalter). Er grenzt hierbei Störungen infolge sexuellen Fehlverhaltens/Versagungen als Aktualneurosen von den Psychoneurosen ab. Die Idee des unbewussten Seelenlebens und des psychischen Funktionierens als Form der Anpassung beschäftigten Freud nun immer mehr.
In dieser Schaffensphase ging es ihm vor allem um Anpassungsprozesse an Ereignisse in der Außenwelt, während es sich in der folgenden zweiten Phase um die individuelle Adaption an innere Kräfte dreht.
Die zweite Phase: Das topographische Modell
Vor allem in der zahlreichen Briefkorrespondenz zwischen Freud und seinem Freund Wilhelm Fließ lässt sich das Gedankengut in dieser zweiten Phase gut ablesen. Die klinische Arbeit mit seinen Patienten und seine Selbstanalyse stehen hierbei im Fokus. Aber auch die Beschäftigung Freuds mit Träumen und ihre Deutung bewirken eine bedeutende Veränderung in seinen Vorstellungen. Die Traumdeutung wird in dieser zweiten Phase ungemein wichtig und wurde zur „Via regia zur Kenntnis des Unbewußten im Seelenleben“ (Freud, 1900a, S.613 zitiert nach Sandler et al., 2003, S. 32).
Freud kommt zu dem Schluss, dass die erzählten Erinnerungen seiner Patienten über sexuelle Verführungen in der Kindheit nicht reale Geschehnisse in ihrer Vergangenheit sein müssen, sondern meistens Phantasien darstellen, die in ihnen so weiterentwickelt wurden, dass sie als tatsächlich erlebt empfunden werden. In der weiteren Auseinandersetzung mit dieser neuen Erkenntnis bezeichnet er diese Phantasien als Wunschphantasien, die durch das innere imaginäre Erleben befriedigt werden. Schon bald erkannte Freud, dass sich diese Ansicht als wesentlicher Grundzug des psychischen Funktionierens herauskristallisierte und besonders in Hinblick auf psychische Konflikte und die resultierende Symptombildung durch Verdrängung angewandt werden kann.
Aufbauend auf seine neuen Anschauungen entwickelt Freud die Differenzierung zwischen historischer und psychischer Wahrheit. Ebenso bilden sich die Schlüsselkonzepte der psychoanalytischen Theorie wie Verdrängung, Konflikt, Wiederholungszwang und Projektion heraus (S. 32). Zudem wird das topographische Modell des psychischen Apparats von ihm begründet, dass aus den drei Systemen Bewusst, Vorbewusst und Unbewusst besteht.
Das Unbewusste enthält Wünsche und Triebe, die nur in verzerrter oder zensierter Form ab und zu an die Oberfläche des Bewussten gelangen. Andernfalls werden sie verdrängt und unterdrückt, da sie sonst immensen Schaden anrichten können. Es kann als primitiver Funktionsmodus angesehen werden, dass keine logischen oder formalen Beziehungen aufweisen kann. Das Lustprinzip herrscht im Unbewussten vor. Später fügte er dem Unbewussten zudem die aggressiven Wünsche hinzu.
Das Vorbewusste beinhaltet Wissen, Gedanken und Erinnerungen. Zu angemessenen Zeitpunkten, z.B. beim Lösen von mathematischen Aufgaben kann man auf dieses Material zurückgreifen. Jedoch besteht auch eine Verbindung zwischen den beiden Instanzen Unbewusstes und Vorbewusstes. Das Vorbewusste und Bewusste können als Gegenpole angesehen werden. Sie funktionieren nach dem Sekundärvorgang, d.h. hier spielen die Logik, die Vernunft und das Wissen um eine äußere Realität und damit verbundene bewusste Ideale und Verhaltensmaßstäbe eine große Rolle. Beide Systeme gehorchen dem Realitätsprinzip. (S. 33).
Die meisten Arbeiten Freuds erschienen in dieser zweiten Phase seines Schaffens. So geht man davon aus, dass ca. 12 seiner 17 gesammelten Werke in dieser Zeit verfasst wurden. Auch die Ausformulierung der sogenannten Triebtheorie fällt in diese Zeit, die die Vielfalt sexueller Wünsche in der Kindheit und im Erwachsenenleben zum Gegenstand weiterer Untersuchungen fokussierte. Freud kam zu der Einsicht, dass perverse Strebungen bei jedem Menschen vorhanden sind, auch wenn sie unterdrückt und verdrängt werden. Triebwünsche sind in Freuds Sichtweise vorwiegend sexueller Natur, deren dahinterstehende Energie er mit Libido benannte.
Die psychosexuellen Entwicklungsstufen der Kindheit (oral, anal, phallisch-ödipal) bildeten sich zu einem entwicklungspsychologischen Rahmen innerhalb der Psychoanalyse heraus und regten zu weiteren Forschungen in Hinblick auf spätere Neurosen und Entwicklung im Allgemeinen an. In Tabelle 2 sind die psychosexuellen Entwicklungsstufen Freuds kurz zusammengefasst.
oral | anal | phallisch-ödipal | Latenz | |
Altersstufe | erstes Lebensjahr | 2.-4.Lebensjahr | bis 5. Lebensjahr | 6.Lebensjahr-Pubertät |
erogene Zonen | Mund und Lippen | Anus | Genitalien | keine |
Bedeutung | – Essen und Gegessenwerden
|
– Zurückhalten und Ausstoßen von Faeces
– abgewandelte Aktivitäten der Analerotik -Lust aus der Kontrolle über seine Umgebung |
– Vorhanden sein/ Nicht-Vorhandensein eines Penis = Hauptsorge
– Ödipus-Komplex |
– entsteht aus Kastrationsangst, -komplex
– Festigung des Über-Ichs durch verinnerlichte Elternimagines -Interesse an nicht-sexuellen Aktivitäten -Desexualisierung der Beziehungen |
Tabelle 2 Die psychosexuellen Entwicklungsstufen Freuds nach Sandler et al. (2003)
Weiterhin stand diese Forschungszeit Freuds auch unter dem direkten Einfluss der vorliegenden klinischen Situation, in der sich Konzepte wie die Übertragung, der Widerstand und das Agieren und Durcharbeiten herausbildeten. Ebenso die Sublimierung, in der die groben Triebwünsche in feinere und nichtsexuelle Formen umgewandelt werden, entstand in dieser Zeit.
Im Jahre 1914 mit der Einführung Freuds des Konzepts des Narzissmus, indem es um die Bildung von Idealen aus dem Elternimagines geht, wurde der Entwurf eines Ich-Ideals von ihm unternommen (das spätere Über-Ich in der 3.Phase). Durch die Erschütterungen des 1. Weltkrieges begann Freud sich zunehmend mit Aggressionen und Masochismus, sowie schweren melancholischen Depressionen auseinanderzusetzen. In Einbettung biologischer Erkenntnisse führte er seine kontroverse Vorstellung eines Todestriebs ein.
Zum Ende dieser Phase stellte Freud bereits einige Inkonsistenzen in Bezug auf die Begrifflichkeiten des topographischen Modells fest. Vor allem der klare Gebrauch des adjektivistischen Ausdrucks unbewusst beziehend einmal auf das Vorbewusste und wiederum auf das System des Unbewussten war nicht gegeben. Auch die Verwendung von vorbewusst erscheint unscharf in dieser Zeit. So wird dieser Begriff im System des Vorbewussten verwendet, das frei zugängliches Material für das Bewusstsein enthält. Gleichzeitig postuliert Freud jedoch eine Grenze bzw. Zensur zwischen den beiden Systemen. Ein eindeutigeres und präziseres Modell sollte diesen Brüchen bald Abhilfe schaffen und die Beziehungen zwischen den Systemen deutlicher machen.
Die dritte Phase: Das Strukturmodell
Diese dritte Phase begann mit der Veröffentlichung von „Das Ich und das Es“ (1923). Zusammen mit seinem Werk „Hemmung, Symptome und Angst“ (1926) führte Freud sein Strukturmodell zum Gegensatz des topographischen Modells der zweiten Phase ein. In diesem verarbeitete er die genannten Inkonsistenzen und erstellte sein bis heute benutztes Strukturmodell. Dieses führte er 1923 in Zusammenhang mit der Diskussion über unbewusste Schuldgefühle ein, indem er sie dem Wirken des Über-Ichs als neu definierte Instanz unsere Psyche zuschrieb. Darauf aufbauend schlug Freud die Dreiteilung des psychischen Apparats in die Strukturen Es, Ich und Über-Ich vor (S.38).
Das Es beherbergt die primitiven Triebe und es herrscht das Lustprinzip vor. Aus diesem Es entsteht durch Einflüsse der Außenwelt dann das Ich. Das Ich hat als Hauptaufgabe die Selbsterhaltung und Sicherung der materiellen Lebensbedingungen. Das Über-Ich entsteht aus der kindlichen Auseinandersetzung mit den Eltern bzw. Bindungspersonen und stellt das innere Sprachrohr des Gewissens (elterliche und kulturelle Werte) dar. Das Ich steht zwischen dem Es und dem Über-Ich in einem täglichen Spannungsverhältnis. Zum einen ist das Ich mit der Triebabfuhr des Es mit Hilfe geeigneter Abwehrmechanismen beschäftigt, zum anderen versucht es den Anforderungen aus dem Über-Ich gerecht zu werden. Dazu kommen noch die Forderungen der Außenwelt, die das Ich ebenfalls bewältigen muss.
Der überwiegende Teil des Über-Ichs und des Ichs funktionieren wie das gesamte Es außerhalb des Bewusstseins (S.39, oben). Das Bewusstsein rückte nun als „Wahrnehmungsorgan“ für das Ich in den Vordergrund. Wenn es zu bedrohlichen Konflikten zwischen dem Ich und den o.g. drei Bereichen kommt, kann Angst auftreten. Somit wird Angst nun als spezifische Reaktion des Ichs verstanden, das mit angemessenen Anpassungs- und Verteidigungsmaßnahmen antwortet, um seine Integrität und Sicherheit aufrecht erhalten zu können („Hemmung, Symptom und Angst“, 1926). Im Es finden sich nun auch die Aggressionen vergleichbar mit Sexualität als Trieb wieder („Jenseits des Lustprinzips“, 1920).
Durch diese gedanklichen Neuerungen veränderte sich natürlich auch die psychoanalytische Technik. So wurde die reale Umwelt wieder mehr beachtet, die Abwehrmechanismen des Ichs genauer erforscht und die Behandlungssituation umfassender gedeutet (S.39, unten).
Das letzte Werk Freuds „Abriß der Psychoanalyse“ (1940) schließt diese dritte Phase ab, jedoch impliziert sie weitere wichtige Beiträge zur Psychoanalyse. So stand die Arbeit „Das Ich und die Abwehrmechanismen“ (1916) seiner Tochter Anna Freud, sowie die Ausführungen von Hartmann „Ich-Psychologie und Anpassungsproblem“ (1939) in unmittelbarem Zusammenhang zu dem Gedankengut dieser Schaffenszeit.
Abschließend kann festgehalten werden, dass Freuds Modelle die Grundlage für weitere psychoanalytische Strömungen und Konstrukte legten. Dazu zählen zum einen die Ich-Psychologie, die Kleinianische Schule und die Selbstpsychologie, sowie die Objektbeziehungstheorie und der Intersubjektivismus (S.40).
*Es handelt sich um einen Link zum Buchangebot bei Amazon. Solltest Du das Buch dort kaufen, bekomme ich eine kleine Provision dafür!
- Home
- /
- Psycho-Kram
- /
- Neuigkeiten und Trends
- /
- Freud: Die 3 Phasen...
Auch lesenswert: Über Covid 19 – eine psychodynamische Sichtweise