Hochstrittigkeit (2017): Wenn Kinder zum „Spielball“ getrennter Eltern werden

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Hochstrittigkeit ist ein ernstes Thema, da es schwerwiegende Folgen für die Psyche aller Beteiligen haben kann. Wenn sich Eltern voneinander trennen oder scheiden lassen, ist das für jedes Kind erstmal ein Einschnitt in seinem Leben. Die meisten von ihnen brauchen ungefähr zwei Jahre, um mit dieser neuen, besonderen Situation psychisch zurecht zu kommen (Bröning, 2013; Retz, 2015). Jedoch gibt es einen kleinen Teil von Eltern, die ihre Streitigkeiten nicht beilegen können und ihren Konflikt immer weiter nähren. „Normale“ Trennungs- bzw. Scheidungspaare fechten vornehmlich Wortkonflikte miteinander aus und bewegen sich auf der Stufe des Konflikthandelns, indem sie dem Ex-Partner Einschränkungen setzen, ihn bei Dritten negativ darstellen und eine behördlich-formelle Externalisierung vornehmen.
Bei hochkonflikthaften Paaren eskaliert der Konflikt jedoch extrem, indem sie sich gegenseitig oder auch Dritte bedrohen und erpressen, gewalttätig gegenüber dem anderen werden, sich juristisch bekämpfen und vor allem ihre Kinder belasten, sowohl in Abwesenheit des Konfliktpartners wie auch in Anwesenheit beider Konfliktpartner. Die Kinder werden instrumentalisiert für die eigenen Zwecke der Eltern. Wenn sich die betroffenen Kinder zudem in einem sensiblen Altersbereich befinden, kann es zu erheblichen Einbußen in der Entwicklung kommen.
Der aus der Familientherapie stammende Begriff Triangulation bezeichnet die Einbindung einer dritten Person in einen bestehenden offenen oder auch verdeckten Konflikt zwischen zwei Personen. Die hinzugezogene Person stellt sich mal auf die eine und mal auf die andere Seite und verstrickt sich dadurch schnell in Loyalitätskonflikte. In der vorliegenden Arbeit wurde der Begriff dahingegen verwendet, dass der von einem elterlichen Konflikt betroffene Jugendliche in diesen involviert wird. Somit entsteht das typische „Dreieck“ zwischen Mutter, Vater und dem Kind in der Mitte ihrer Streitigkeiten bzw. HC (Katschnig aus Stumm, 2000).
Was bedeutet Hochstrittigkeit überhaupt?
Wann ein Hochstrittigkeits-Konfikt (im Folgendem HC ) vorliegt und wann nicht, kann nicht immer genau gesagt werden. Es gibt aber eine Reihe anzeigender Hinweise, die wahrscheinlich darauf hindeuten. Obwohl in den letzten 30 Jahren bereits viel zu den Themenbereichen „Scheidung“ und „Trennungsfamilien“ geforscht wurde und dabei auch das Auftreten von HC auffiel, gibt es noch immer keine einheitliche Definition zu dem Begriff (Walper et al., 2013). Zwei Hauptrichtungen können in der aktuellen Literatur identifiziert werden. Zum einen benennen verschiedene Autoren zur Definition immer wieder einige Elemente, die typisch sein sollen, hierzu zählen:
- Es bestehen fortgesetzte juristische Streitigkeiten (meist um das Sorge- und Umgangsrecht).
- Emotionale Themen stehen im Vordergrund der Streitigkeiten.
- Kinder werden nach den Interessen der Eltern instrumentalisiert und in Loyalitätskonflikte gebracht.
- Versuche der außergerichtlichen Einigung sind fehlgeschlagen.
- Es sind mehrere Institutionen (Jugendamt, Beratungsstellen, Anwälte, Gerichte
- etc.) mit dem „Fall“ beschäftigt.
(siehe Bröning, 2013; Walper, 2013; Retz, 2014; Roesler, 2015)
Zum anderen schlagen einige Autoren eine Einordung von HC in eine Typologie des Konflikts oder ein Eskalationsmodell vor. Der Vorteil besteht vor allem darin, dass HC hierbei auf einer Dimension verortet und nicht nur kategorial definiert wird und somit auch „Zwischenstadien“ beschrieben werden können (Bröning, 2013).
Das von Alberstötter (siehe Weber, Schilling, 2012) weiter entwickelte Eskalationsmodell von Glasl (2004) für Führungskräfte soll hier kurz erläutert werden, da es auch zur diagnostischen Einordnung von Konfliktfamilien benutzt wird. Das Modell unterteilt sich in drei Stufen:
1. zeitweilig gegeneinander gerichtetes Reden und Tun
2. verletzendes Agieren und Ausweiten des Konfliktfeldes
3. Beziehungskrieg und Kampf um jeden Preis
Die Forscher sind sich jedoch nicht einig, ab welcher Stufe ein HC vorliegt. Alberstötter selbst verortet einen HC bereits ab der 2. Stufe, da hier jede der Parteien über ein „Helfersystem“ verfügt, mit dem sie gegeneinander vorgehen können. Zudem wird alles gesagt und getan, um den jeweils anderen gegenüber den professionellen Akteuren als „Bösen“ darzustellen. Die Kinder sind vollständig in die Konflikte involviert und es sind keine außergerichtlichen Lösungen mehr möglich (Bröning, 2013). Walper et al. (2013) ordnen einen HC hingegen erst der 3. Stufe zu, in der Rache und tiefgreifende Verletzungen im Vordergrund stehen und die Kinder als „Spielfiguren“ missbraucht werden.
Die HC fallen in das Feld der Trennungs- und Scheidungsforschung und stellen dennoch einen eigenständigen Problembereich innerhalb dieser Thematik dar. In der Literatur wird nicht immer trennscharf zwischen HC und Nicht-HC unterschieden, sodass man genau abwägen muss, welche Erkenntnisse sich auf einen HC beziehen lassen.
Notwendigkeit sich mit dem Thema Hochstrittigkeit zu befassen
In den letzten Jahren hat sich die Zahl der „hochstrittigen Klienten“ als eine eigenständige und ernstzunehmende Gruppe herauskristallisiert. Schon seit fast zwei Jahrzehnten beschäftigen sich Forscher und Praktiker mit diesem Thema. In Deutschland hat vor allem die DIJ-Studie aus dem Projekt Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft die Forschung auf diesem Gebiet angeregt und unterstützt (Fichtner/Dietrich/Halatcheva et al., 2010).
Fichtner et al. (2010) gehen davon aus, dass jährlich ca. 10.000 – 15.000 Kinder von HC betroffen sind. Aktuell schätzt er die Zahl auf ca. 50.000. Diese ergeben sich aus den Angaben des Statistischen Bundesamtes von 2007, das ca. 100.000 Trennungen im Jahr 2005 angibt, in denen minderjährige Kinder mit einbezogen sind, sowie weitere ca. 10.000 nichteheliche Trennungen mit Kindern und den 35.000 Gerichtsverfahren, die diesen Zahlen laut Bundesministerium für Justiz (2006) gegenüberstehen.
Hieraus ergibt sich, dass ca. 2/3 der Trennungsfamilien Umgangsregelungen eigenständig ausmachen. Somit betrifft das Phänomen der Hochstrittigkeit laut Johnston (2003) ca. sieben Prozent (zitiert nach Walper et al., 2013).
Ganze Arbeit dazu lesen (Bachelorarbeit 2017)?
Auch lesenswert: ADHS als kulturelles Phänomen?
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