FREUD: Der Fall Katharina (sekundäre Traumatisierung)

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Eine der vier von Freud vorgestellten Studien über Hysterie stellt die o.g. Fallgeschichte zum Wirtshausmädchen Katharina dar. Die Begegnung zwischen dem Doktor und dem 18jährigen Mädchen erfolgt zufällig bei einem Freizeitausflugs Freuds in die Berge. Das Mädchen sucht das Gespräch mit ihm auf, da sie sich schon länger nervenkrank fühlt und ihr bis dato nicht geholfen werden konnte.

Beschwerden von Katharina

Sie berichtet von ihrer immer wiederkehrenden plötzlichen Atemnot, die begleitet wird von Schwindel und Augendruck, sowie Kopfsausen und einem Beklemmungsgefühl in der Brust. Auf Nachfragen Freuds nennt sie außerdem weitere Symptome (Zuschnüren des Halses, ängstliches Verhalten), die Freud auf einen Angstanfall (hysterischen Anfall mit dem Inhalt Angst) schließen lassen (S. 186, oben).

Katharina berichtet, angesprochen auf den Denkinhalt während eines solchen Anfalles, dass sie dabei ein „grausliches Gesicht“ wahrnehme, dass ihr jedoch unbekannt sei (S. 186). Es stellt sich weiterhin heraus, dass das Mädchen ihre Anfälle seit ca. zwei Jahren erlebt und diese auch nach dem Umzug auf einen anderen Berg vor eineinhalb Jahren nicht besser wurden.

Ungewöhnliches Gespräch

Freud ist sich nicht sicher, ob er eine Analyse jenseits seiner Praxis wagen sollte, eine Hypnose schließt er in dieser Situation gänzlich aus. Er beschließt durch „einfache Gespräche“ und „glückliches Raten“ mit dem Mädchen weiter in die Problematik einzudringen. Freud hatte schon öfter an seinen Patientinnen beobachten können, dass Angst durch frühere sexuelle Eindrücke unter Eltern/Erwachsenen in der späteren Zeit eigener sexuellen Entwicklungen als eine Folge auftreten kann. Hierzu fügt er zur Fallgeschichte mittels Fußnote ein praktisches Beispiel ein.

Freud konfrontiert das Mädchen dann mit seiner Mutmaßung, dass sie vor zwei Jahren etwas gesehen oder/und gehört haben muss, was sie sehr erschrocken oder geniert hat, sodass es zu ihrem ersten Anfall kam. Katharina erinnert sich daraufhin an eine Episode zwischen ihrem Onkel und ihrer Cousine Franziska (Freud weist am Ende der Fallgeschichte durch eine 1924 später hinzugefügte Fußnote drauf hin, dass es sich eigentlich um den eigenen Vater gehandelt hat).

Auch merkt sie an, dass sie Schuld sei an der Scheidung der Tante und des Onkels, weil durch sie herauskam, dass der Onkel eine erotische/sexuelle Beziehung zu Franziska unterhält.

Damals kamen Gäste zum Wirtshaus. Katharina und ihr Cousin Alois wollten die Franziska holen, weil sie für das Kochen zuständig und die Tante nicht zu Hause war. Sie gingen zum Zimmer des Onkels, was jedoch zugesperrt war. Deshalb beschloss Katharina durchs Fenster zu sehen. Sie sah, wie der Onkel auf Franziska lag und ließ sofort vom Fenster ab. Dort bekam sie dann zum ersten Mal ihre Atemnot zu spüren.

Warum das damals 16jährige Mädchen darüber so erschrocken war, konnte sie nicht sagen. Auch auf die sich anschließende Frage Freuds, was sie denn gedacht habe damals, kann das Mädchen nur anführen, dass sie alles vergessen habe . Auch das zuvor erwähnte „grausige Gesicht“ können Freud und Katharina dieser Szene nicht zuordnen, der weitere Weg scheint versperrt.

Die nächsten Tage

Zwei Tage nach ihrer Beobachtung wurde dem Mädchen wieder schwindelig und schlecht. Sie musste drei Tage Bettruhe halten und erbrach sich immer wieder. Freud übersetzt dieses Erbrechen durch eine Art Bilderschrift hysterischer Symptomatologie in das Gefühl des Ekels und offenbart auch dem Mädchen diesen Eindruck. Katharina bestätigt das zögerlich mit der Frage, wovor sie sich denn geekelt habe.

Das Zimmer wäre zu dunkel gewesen, um etwas zu sehen und beide waren ihrer Erinnerung zufolge angezogen und nicht nackt, wie Freud es annehmend nachfragte. Es bot sich kein weiterer Spielraum auf, sodass er das Mädchen bat, einfach weiter zu erzählen. Katharina beschrieb daraufhin, dass ihre Tante aufgrund ihrer Veränderung vermutete, dass etwas im Argen lag und wie sie ihr alles erzählte.

Weiterhin kommt sie auf die anschließenden Streitgespräche und Trennungsszenarien zwischen der Tante und dem Onkel zu sprechen, durch welche die Kinder vieles gehört haben, was nicht für Kinderohren bestimmt ist.

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Nach einer Weile beginnt das Mädchen allerdings zwei Ereignisreihen zu schildern, die zwei bis drei Jahre vor dem eigentlichen traumatischen Moment liegen. Zum einen handelt es sich um Erinnerungen, in denen der Onkel ihr selbst schon einmal sexuell nachgestellt hat.

Dass sie einmal nachts im Bett plötzlich seinen Körper an ihrem spürte und erschrocken aufsprang. Freud merkt in der Fallgeschichte an, dass sich das damals 14jährige Mädchen des sexuellen Charakters dieser Situation wohl nicht klar gewesen war, da sie sich danach wieder ins Bett legte und weiterschlief.

Katharina bestätigt ihm dieses auch auf sein Nachfragen hin, ebenso wie sie das Vorkommen ihrer Anfälle bei solchen Situationen bejahte. Die zweite Reihe von Erinnerungen betreffen Begebenheiten zwischen dem Onkel und Franziska, die ihr aufgefallen waren. So beobachtete sie, wie der Onkel einmal nachts zu Franziska rüber rutschte, als sie alle oben im Heuboden zusammen schliefen. Oder, dass der Onkel einmal nachts das gemeinsame Zimmer von ihm und ihr verlassen wollte, um in das Zimmer nebenan, indem Franziska schlief zu gehen.

Auch bei diesen Ereignissen dachte sich die damalige Katharina nichts weiter, es fiel ihr nur auf. Ob sie da auch schon erste Symptome ihrer Angst spürte, kann sie Freud allerdings nicht genau sagen. Nach ihren Ausführungen legt das Mädchen eine Pause ein.

Veränderungen an Katharina

Freud bemerkt, dass sich die Gesichtszüge des Mädchens geglättet haben und auch ihre Augen wieder mehr Glanz trugen. Sie erscheint ihm „belebter“, „erleichtert“ und „gehoben“. Er merkt an, dass gerade ihr „planloses Erzählen“ ihm geholfen habe, ihren Fall aufzuklären. Die beiden Ereignisreihen, die sie in sich trug, brachten Katharina beim Anblick des koitierenden Paares in Verbindung dazu und begann zu verstehen, woraufhin sie gleichzeitig anfing es abzuwehren.

Daraufhin folgte eine kurze Phase der „Inkubation“ (ein Zeitraum der Verarbeitung), die dann in „Symptome der Konversion“ münden, indem sich das Erbrechen als „Ersatz des moralischen und physischen Ekels“ manifestiert. Im Anschluss konfrontiert Freud das Mädchen mit seinen Erkenntnissen, die diese dann auch bestätigt. Auf die Frage Freuds, was genau von dem Körper des Onkels sie denn gespürt habe in jener Nacht, lächelt sie nur verlegen und gibt ihm nonverbal zu verstehen, dass er sich das schon richtig denken könne.

Freud bemerkt dazu, dass er es dabei belässt und ihr sowieso schon dankbar ist für ihre natürliche Offenheit – die er im Vergleich zu den „prüden Damen“ seiner Stadtpraxis sehr schätzt.

Allerdings ist noch nicht geklärt, was die Halluzination des „grausigen Kopfes“ für einen Sinngehalt habe. Freud befragte Katharina also erneut dazu und tatsächlich konnte sie sich jetzt einen Reim darauf machen. Sie erkannte dieses Gesicht nun als das Gesicht ihres Onkels. Dieser habe ihr, nachdem es zu all den Streitigkeiten gekommen war, gedroht ihr etwas Schlimmes anzutun, weil sie schuld an dem allen sei.

Er habe oft seine Hand gegen sie erhoben, wenn er sie irgendwo sah und kam mit wutentbranntem Gesicht auf sie zu. Katharina ist immer vor ihm weggelaufen, aber stets verfolgte sie die Angst, er könne ihr auflauern und sie eines Tages einfach packen und ihr was antun. Freud schließt daraus, dass das Symptom der Hysterie (Erbrechen) zwar vergangen ist, aber der Angstanfall geblieben und mit neuen Inhalten befüllt wurde. Das Mädchen hatte ihrer Tante sehr bald alles erzählt, sodass diese Hysterie zum Teil schnell abreagiert werden konnte. Freud hofft, dass dieses Gespräch dem Mädchen ein wenig Linderung verschafft hat und vermerkt, dass er sie nie wiedersah.

Nachgedanken Freud´s zum Fall Katharina

In seiner Epikrise macht Freud darauf aufmerksam, dass diese Krankengeschichte nicht wirklich als Analyse gesehen werden kann, sondern eher durch Erraten getragen wurde. Er bemerkt, dass es für genauere Erkenntnisse in diesem Fall einer Hypnose bedurft hätte. Für Freud ergeben sich daraus zwei traumatische Ereignisse. Zum einem ist das natürlich der Moment in der Kindheit von Katharina, indem sie ihren Onkel (bzw. Vater) mit der besagten Cousine Franziska beim Sex beobachtet („auxiliärer Moment“) und diesen Eindruck aufgrund ihrer kindlichen Entwicklungsstufe nicht verstehen kann. Zum anderen dann die spätere Verknüpfung und Interpretation mit dem bis dato verdrängten Bedeutungsinhalt dieser Szene in ihrer Adoleszenz („assoziative Vereinigung“) und der damit verbundenen Tragweite der damaligen Beobachtung.

Die Abspaltungen psychischer Gruppen erschienen Freud als ein normaler Vorgang. Er meint, dass Erinnerungen in der vor-sexuellen Phase vorerst wirkungslos bleiben und erst später in der weiteren Entwicklung der eigenen Sexualität „traumatische Gewalt“ annehmen können.  Freud spricht auch von einer „Bewusstseinsspaltung“. Im Fall Katharina fällt Freud auf, dass es dabei eventuell Unterschiede in der Ursache der Spaltung geben könnte. Er hatte bei seinen Patientinnen des Öfteren beobachten können, dass sie bewusst Erinnerungen verdrängten, jedoch kann man bei Katharina eher Ignoranz als Ablehnung ihrer Erinnerung unterstellen. Freud belässt es jedoch bei dieser Anmerkung.

Als letzten Punkt hält Freud fest, dass auch in diesem Falle erkennbar ist, dass es eine Inkubationszeit gibt, in der das traumatische Erlebnis ausgearbeitet wird (er zitiert an dieser Stelle Charcot: „Zeit der psychischen Ausarbeitung“.

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Quelle: Freud, S. (1893). STUDIEN ÜBER HYSTERIE: KRANKENGESCHICHTEN. GESAMMELTE WERKE I, 184-195

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