Adoleszenz: Die 3 wichtigsten Entwicklungsaufgaben und die Bedeutung von Schule für Jugendliche

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Die Adoleszenz wird als eine sensible Übergangsphase zum Erwachsenwerden definiert, in der sich der Jugendliche ein autonomes Selbst schafft, um den Anforderungen eines selbständigen Lebens gewachsen zu sein. In der Phase der Pubertät ergeben sich für die Jugendlichen eine ganze Reihe von neuen Entwicklungsaufgaben.

Gerade in diesem sensiblen Entwicklungsabschnitt, der sich laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über das Alter von ca. 10 bis 19 Jahren erstreckt (WHO, 2017), kommt es zu gravierenden physischen, psychischen und sozialen Umstrukturierungen und damit verbundenen Konflikten mit sich selbst und der Umwelt.

Entwicklungsaufgaben nach Havighurst

Einen Überblick über relevante Entwicklungsaufgaben gibt Havighurst (1972), die 1995 von der Carnegie Council of Adolescent Development erweitert und neu ausformuliert wurden. Folgende Aufgaben haben Jugendliche demnach in der Pubertät grundsätzlich zu bewältigen:

(a) Verantwortungsgefühl entwickeln

(b) Teilnahme als Haushaltsmitglied,

(c) Erreichen einer verlässlichen Basis für das Tätigen fundierter Entscheidungen

(d) Glauben an eine vielversprechende Zukunft mit echten Chancen

(e) Entwicklung eines Systems von Werten und Überzeugungen und ein Gefühl als Wert als Person

(f) Interaktion mit Gleichaltrigen

(g) Wissen über die richtige Nutzung verfügbarer Unterstützungssysteme

(h) Lernen, wie man enge dauerhafte menschliche Beziehungen bildet

(i) die Fähigkeit pflegen, das Leben zu genießen

Umstrukturierungen im Denken und Entscheiden

Die Adoleszenz ist mit einigen größeren kognitiven Entwicklungen verknüpft. Besonders bedeutsam sind hierbei die Veränderungen des jugendlichen Gehirns durch die kortikale Reifung, die mit einer Verbesserung der Selbstregulationskompetenzen einhergeht. Das bedeutet, dass Jugendliche sich zunehmend eigene Ziele stellen und diese planvoll durch Regulation des eigenen Verhaltens und ihrer Emotionen umzusetzen versuchen. Hierzu eignen sie sich hilfreiche Selbstkontrolltechniken und Emotionsregulationstechniken an.

Eine weitere gravierende Veränderung erfolgt im Denken. Die Jugendlichen beginnen immer mehr abstrakt und formal-logisch zu denken. Sie können Sachverhalte logisch nachvollziehen und unvollständige Szenarien sinnvoll beenden und ergänzen. Dadurch kann ein gesellschaftliches Bewusstsein entstehen und wissenschaftliches Arbeiten auf den Weg gebracht werden.

Bereits Piaget (1974) stellte in seinem Stufenmodell der kognitiven Entwicklung einzelne Bereiche des Denkvermögens heraus. Bei ihm fällt diese Stufe in das letzte Stadium, dem formal-operationalen Stadium, das ab einem Alter von 12 Jahren erreicht werden kann . Jedoch muss nach Piaget nicht jeder Mensch dieses Stadium durchlaufen, sondern kann auch auf der Stufe davor, der konkret-operationalen Stadium, verbleiben.

Trotz dieser positiven Weiterentwicklungen im kognitiven Bereich liegt der Schwerpunkt der jugendlichen Aufmerksamkeit oft bei sich selbst. Elkind (1976) nennt dieses Phänomen „Jugendegozentrismus“. Jugendliche quälen sich dadurch oft mit Selbstzweifeln und Minderwertigkeitskomplexen, da sie meinen, vor einem „imaginären Publikum“ (Elkind, 1985; zitiert nach Fend, 2005) zu stehen. Sie fühlen sich unter ständiger Beobachtung und Bewertung anderer. Oft entsteht dadurch ein Glaube an Einzigartigkeit im Denken und Handeln, sowie der Hang zu Überdramatisierungen, aber auch ein Gefühl von der Gesellschaft nicht verstanden zu werden.

Grundsätzlich ist die Fähigkeit zur Perspektivübernahme bei den Jugendlichen jedoch ebenso vorhanden. Sie blenden diese aber oft aus und wenden sie aufgrund ihres Fokus’ auf sich selbst nicht an (Lohaus et al., 2015).

Veränderungen im Empfinden und Verhalten

Laut Lohaus et al. (2015) kommt dem Bereich der Emotionen in der Adoleszenz eine besondere Rolle zu. Vor allem Stimmungs- und Gemütsschwankungen treten in dieser Phase häufig auf und erhöhen die Auftretenswahrscheinlichkeit von depressiven Störungen, von denen meist Mädchen betroffen sind. Negative Emotionen nehmen zu und die eigenen Gefühle rücken in den Vordergrund.

Das Konzept des Selbstwertgefühls befindet sich im Alter von 12-13 Jahren aufgrund diverser Neubewertungen der eigenen Stärken und Schwächen auf einem Tiefpunkt. Nach und nach steigt dann das Selbstwertgefühl innerhalb der Adoleszenz wieder an. Es wird ein kurvlinearer Verlauf angenommen. Geschlechtsunterschiede sind hier ganz deutlich wahrnehmbar. Mädchen bewerten ihren Körper deutlich negativer als Jungen (Lohaus et al., 2015; Fend 2005).

Laut Janke und Schlotter (2010) sind im Jugendalter eine erhöhte emotionale Reaktivität, eine erhöhte negative und erniedrigte positive Befindlichkeit typisch. Inwieweit das zu Konflikten führt, ist abhängig vom Vorhandensein geeigneter Emotionsregulationsstrategien, sowie sozialer Unterstützung und Fürsorge in dieser Zeit (Lohaus et al., 2015).

Das Definieren eines eigenen Wertesystems und einer individuellen Persönlichkeit stehen besonders in der Adoleszenz im Vordergrund. Hierbei werden auch oft bewusst Grenzen überschritten oder überwunden. In wem die Jugendlichen ein Vorbild sehen und sich Denk- bzw. Verhaltensweisen annehmen, liegt in ihrer emotionalen Bindung zu Personen in ihrer Umwelt. Es werden verschiedene Rollen ausprobiert und erprobt.

Die Reorganisation in den sozialen Beziehungen

Die Ablösung vom Elternhaus und der Aufbau eines eigenständigen Lebens gehören zu den Hauptaufgaben eines jeden Jugendlichen. Die Peers nehmen immer mehr Bedeutung ein, während die Eltern in den Hintergrund rücken. In vielen Familien kommt es zu Streitigkeiten und Auseinandersetzungen, die oft banale Gründe beinhalten (z.B. Frisur, Musik, Mode etc.).

Große Zerwürfnisse, basierend auf diesen Disputen, sind allerdings eher selten und nicht die Regel. Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass die Eltern in dieser Phase für die Jugendlichen bedeutungslos werden. Das Elternhaus kann im optimalen Fall eine Art „Trainingslager“ fürs Leben darstellen, indem soziale und beziehungstechnische Grundlagen geübt und diskutiert werden.

Gleichaltrige können hierbei sowohl positiv wie auch negativ auf die Entwicklung eines Jugendlichen einwirken. In erster Linie bergen Freundschaften jedoch einen unschätzbaren Wert und ein großes Lernpotenzial in sich. Gerade in der Adoleszenz müssen die Jugendlichen lernen, sich sozial und emotional mit zwischenmenschlichen Konflikten sowohl in Freundschaften wie auch in Beziehungen auseinanderzusetzen, um im späteren Entwicklungsverlauf aus diesen Erfahrungen schöpfen zu können.

Zudem stellen die Peers eine sehr wichtige Stütze in der Ablösung von den Eltern und den Weg in die Selbstständigkeit dar. Im negativen Sinne können Gruppendruck und soziale Erwartungen gerade bei nicht gefestigten Teenagern dazu führen, illegales Verhalten und Substanzmissbrauch auszuüben.

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Die Bedeutung von Schule und Leistung in der Adoleszenz

Schulleistungen spielen in der Adoleszenz eine bedeutsame Rolle, sind sie doch automatisch assoziiert mit der späteren beruflichen Karriere. Jugendliche haben die Aufgabe, ihre eigenen Stärken und Schwächen abzuwägen und sich so Ziele für die selbstständige Zukunft zu setzen. Nach Fend (2005) sind schulische Leistungen wichtig für das Selbstbewusstsein der Jugendlichen, die das Bedürfnis nach Selbstständigkeit, Eigenkontrolle und Kompetenz besitzen. Sie wollen nicht schwach wirken oder als gefährdet gesehen werden.

Hinzu kommt, dass Jugendliche in der Adoleszenz ein gesteigertes Geltungsbedürfnis haben. Sie wollen zeigen, wer sie sind und was sie können. Aber auch der Wunsch nach sozialer Zugehörigkeit und Anerkennung spielt hierbei eine große Rolle. Der Umgang und die Erwartungen der Peers sind entscheidende Einflussfaktoren. Das „Streber-Syndrom“ kann in Bezug auf das Erreichen guter Noten dabei eine Lern- und Motivationsbremse sein. Genauso ist aber ein leistungsstarker Partner in einer Beziehung zwischen zwei Jugendlichen ein motivierender Ansporn zum Lernen.

Die Schule ist für die meisten Jugendlichen in den höheren Klassen laut Fend (2005) eher ein „Muss“. Jedoch kann der Schulbesuch mit seiner Kontinuität und dem Beziehungsnetz zwischen Lehrern, Eltern, Sozialarbeitern und Jugendlichen gerade für konfliktbehaftete Familien eine Unterstützung und soziale Entlastung bedeuten. Manche Jugendliche suchen sich in der Schule eine Art „Mentor“ von den Lehrern aus und kompensieren so z.B. fehlende Bindungen innerhalb ihrer Familie.

Auch lesenswert: ADHS als kulturelles Phänomen unserer Zeit?

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